Juni. Der Monat der Abschlüsse. Der Zeugnisse, der letzten Male, der Abschiede mit feuchten Augen und festem Blick nach vorn. Und irgendwie auch der Monat, in dem ich selbst innehalten musste. Loslassen üben durfte. Trauern. Staunen. Und ein bisschen leise jubeln.
Denn manchmal ist das Leben wie ein Theaterstück, bei dem gleich mehrere Vorhänge gleichzeitig fallen – und du mittendrin, zwischen Applaus, Nervosität und dem Blick in den Backstagebereich des Herzens.
Juni 2025. Ein Monat der Abschiede.
Sohn 02 beendet das erste Schuljahr – und freut sich aufs Nächste
Was waren wir aufgeregt vor einem Jahr. Er. Und wir erst recht.
Die große Frage: Wird das klappen auf der Förderschule? Mit all seinem Pflegebedarf, seiner Art, seiner Welt – die so oft nicht in Raster passt. Wird der Schulbus morgens wirklich kommen? Und abends auch wieder? Wird jemand merken, wenn er auf dem Klo Hilfe braucht oder traurig ist oder sich verloren fühlt?
All diese Fragen.

Und dann, schon nach wenigen Wochen: pure Erleichterung.
Was für ein Schatz, wie liebevoll die pädagogischen Fachkräfte mit ihm umgehen. Wie er morgens gerne losfährt. Wie er mittags mit leuchtenden Augen aus dem Bus steigt. Und wie er abends im Bett sagt:
„Ich will morgen wieder zur Schule.“
Kürzlich haben wir gesprochen: dass er bald ein Zweitklässler ist. Dass dann neue Kinder in die erste Klasse kommen.
Seine Stirn runzelt sich. „Wo kommen die her?“
– „Aus dem Kindergarten.“
– „Achso … so wie ich?“
Kurzes Schweigen. Dann ein Lächeln, das mein Herz zerlegt:
„Dann freuen die sich bestimmt schon auf meine Familie. Da ist es toll.“
Manchmal merkt man in einem einzigen Satz, dass ein Kind angekommen ist. Und dass man selbst wohl ein bisschen mehr richtig als falsch gemacht hat.
Sohn 01 beendet die Grundschule – und startet bald in der 5ten Klasse durch
Vier Jahre sind vergangen – wie im Flug.
Von der Einschulung mit viel Aufregung, einer riesigen Schultüte (die ihn fast mehr gehalten hat als umgekehrt) bis jetzt – zum Abschied aus der Grundschule.
Und was dazwischen alles passiert ist.
Wie viel er gelernt hat. Wie er gewachsen ist – äußerlich sowieso, aber vor allem innerlich.
Wie sehr wir seiner Klassenlehrerin danken, die mit Empathie und kluger Zuwendung genau den Raum geschaffen hat, den unser Sohn gebraucht hat.

Jetzt beginnt etwas Neues.
Eine andere Schule. Neue Fächer. Viele Kinder. iPad statt Heft. Und ein Schulweg mit Bus statt zu Fuß.
Wieder ist er der Kleine unter den Großen.
Wieder beginnt ein Abenteuer.
Und wir?
Wir sind freudig gespannt – und gleichzeitig elternmäßig aufgeregt.
Aber: Wir schauen zurück auf vier Jahre, in denen wir als Familie ziemlich viel jonglieren mussten. Manchmal mit drei Bällen, manchmal mit zehn. Und trotzdem haben wir es geschafft, ihn gut durch diese Zeit zu begleiten.
Und er hat es klasse gemacht.
Gut gemacht, Sohn. Gut gemacht, wir.
Ich begrabe einen Lebenstraum – und darf an einem spannenden Projekt mitwirken
Seit ich Theologie studiert habe, war da dieser Wunsch:
Nicht nur irgendwie unterrichten – sondern als Dozent leben. Für Praktische Theologie.
Nicht nebenher. Sondern so richtig.
Weil ich das liebe: Die Mischung aus Input und Interaktion.
Weil ich merke, wie Menschen aufblühen, wenn sie neue Zusammenhänge begreifen.
Weil ich liebe, was gute theologische Bildung mit Menschen und Gemeinden macht.
Über 15 Jahre lang durfte ich diesen Traum leben – zumindest in Teilzeit. Mit Lehraufträgen, Seminaren, Praktikumsbegleitung.
Und dann: Burnout. Pause. Stille.
Jetzt, nach der Reha, wollte ich vorsichtig wieder einsteigen. Habe es versucht. Mit wenig Stunden.
Und musste doch feststellen: Es geht nicht mehr. Nicht so.
Nicht mit einem Körper und einem Geist, die ihre Energie nicht mehr zuverlässig auf Knopfdruck liefern.
Manche Tage gehen gut. Andere sind zäh. Und oft weiß ich morgens nicht, welcher Tag es wird.
Lehraufträge aber brauchen Verlässlichkeit. Brauchen Präsenz. Brauchen mehr, als ich momentan geben kann.
Also: Schluss.
Zumindest vorerst.
Und ja – das tut weh. Richtig weh.
Weil es ein echter, großer Lebenstraum war.
Aber ich durfte ihn leben.
15 Jahre lang. Und das ist nicht wenig.

Und dann kam: eine neue Tür.
Ein Projekt, das Flexibilität ermöglicht. Bei dem ich schreiben darf. Nachdenken darf. Inhalte gestalten.
Alles Dinge, die ich auch liebe – aber die meinem veränderten Leben besser entsprechen.
Noch ersetzt es nicht alles. Aber vieles.
Und es erfüllt mich mit echter Dankbarkeit, dass ich auch mit weniger Energie etwas Sinnvolles tun darf.
Ein Traum geht zu Ende. Und ein anderer nimmt leise Anlauf.
Mehr dazu später.
Was sonst noch so los war im Juni 2025
Wie ein Marathon ohne Training.
So fühlt es sich oft an: Unser Familienalltag mit einem behinderten Kind.
Zwischen Therapien, Anträgen und schlaflosen Nächten.
Zwischen unermüdlicher Fürsorge, leeren Kraftreserven – und einer Liebe, die alles trägt. Irgendwie.
Für die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Family (4/25) habe ich aufgeschrieben, was es bedeutet, als Familie mit Behinderung zu leben.
Von der Erschöpfung. Von der Gnade. Von einem Gott, der uns nicht allein lässt.
Und von der unkaputtbaren Liebe, die bleibt.
Weil jede Familie zählt. Auch – und gerade – die Besonderen.



Den „selbstgebauten Psalm“ im Artikel findest du übrigens auch hier.
Frisch gebloggt
- Kleine Dinge, große Wirkung: Was unseren Familienalltag leichter macht
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- Ich wünsche euch nicht das Beste – ich wünsche euch das Wahre.
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- 100 heilige Sekunden: Mikropausen für Herz, Hirn und Himmel
- Zehnmal Glück – Gedichte über die Dinge, die mein Herz leicht machen
- „Doch gerade an Tagen, an denen ich mich fürchte …“ – Wie Psalm 56,4 mich trägt
Ausblick auf den Juli 2025
- Die Sommerferien starten. Die Jungs freuen sich, wir Eltern organisieren noch und werden in den kommenden Wochen versuchen müssen, Arbeit und Familie gut zu jonglieren. Der urlaub reicht einfach nicht aus für völlig betreuungsfreie Ferien bei Sohn 02. So ist das als behinderte Familie.
- Eine Woche Urlaub am Rhein gönnen wir uns dann aber doch zusammen. Mehr war aber tatsächlich auch beim besten Planungswillen nicht drin.
- Mein Buch zum Thema Ruheinseln soll nahezu fertig werden.
- Und sonst will ich möglichst viele Sommerdinge tun: Eis, Schwimmbad, Grillen, Füße im Bach, Zelten, Stockbrot, den nächtlichen Sternenhimmel bestaunen, mir Zeit für Meditation nehmen, Freunde treffen … mal sehen, was wir so reinjongliert bekommen 😉
Das war mein Monatsrückblick Juni 25.
Und dein Juni 2025 so?
Schreibs mir in die Kommentare!
Das war spannend? Dann lies mal DAS hier:

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Gott macht keinen Unterschied
Der Sohn singt gegen Nazis an: „Unser Gott macht keinen Unterschied, unser Gott hat ein großes Herz, weil unser Gott die Menschen liebt, machen wir es so wie er.“
Bilder: privat, Dall-E, Canva.
Liebe Heiko, danke für deinen berührenden Monatsrückblick.
Deine Offenheit ist ermutigend und zeigt, wie du dich bei allen Schwierigkeiten getragen fühlst. Ich freue mich darauf, mehr von dir zu lesen.
Alles Gute von Mangala aus Münster
Hallo Mangala,
hab vielen Dank.
Auch fürs treue Mitlesen und sogar auf weitere Texte Freuen 🙂
Herzlich
Heiko
Lieber Heiko, was für ein berührender Rückblick. Ich mag wie du schreibst, wie du beschreibst und die Geschichten deiner Kinder haben mich bewegt. Hätte mein Sohn auch so ein Glück mit der Schule gehabt. Seufz, aber auch ich habe trotzdem das Gefühl, wir haben etwas richtig gemacht.
Und alles Gute auch weiterhin, um dich von dem Burn-out zu erholen. I feel you
Vielen Dank dir, liebe Hilkea.
Dir, deinem Sohn, euch alles Liebe!
Heiko