30 Gründe für ein Leben mit einem behinderten Kind: Mein Plädoyer für Inklusion

Kategorisiert in Familie mit Behinderung, Inklusive Kirche
Warum jedes Leben wertvoll ist: Ein Plädoyer für behinderte Kinder – Heiko Metz

Die Entscheidung, ein Kind zu bekommen, ist eine der bedeutendsten im Leben zweier Menschen. Doch was geschieht, wenn man erfährt, dass dieses Kind voraussichtlich mit einer Behinderung geboren wird? Viele werdende Eltern stehen vor der Frage: Warum ein behindertes Kind bekommen? Warum sollten wir uns bewusst für ein Leben mit einem behinderten Kind entscheiden?

Ich liste dir hier einige positive Aspekte und Gründe auf – wohl wissend, dass es da noch viel mehr gibt. Und kann dir aus unserer eigenen Erfahrung heraus nur Mut machen, diese Herausforderung anzunehmen.

Unser zweiter Sohn ist vom Kabuki Syndrom betroffen. Das stellt uns ohne Zweifel vor echt viele Herausforderungen und Überforderungen. Aber ich kann zwei Dinge ohne zu zögern sagen: (1) Wir lieben ihn genauso wie unseren ersten Sohn. Die Liebe macht keinen Unterschied! (2) Wir würden ihn für nichts auf der Welt wieder hergeben wollen. Es ist mehr als sehr gut, dass er bei uns ist und wir zusammen behinderte Familie sind.

Tatsächlich kann wohl kaum jemand alle meine Sorgen, schlechte Laune etc. nach einem anstrengenden Tag so einfach wegwischen, wie er. Sein strahlendes Gesicht, wenn ich die Treppe hochkomme. Die ausgestreckten Arme. Und ein freudiges. „Papa, ich hab dich demisst.“ Zack, gehts mir gut.

Warum ein behindertes Kind unglaublich wertvoll ist und das eigene (Familien-)Leben bereichert

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  1. Einzigartige Persönlichkeit: Vorab und vielleicht am wichtigsten: Jedes Kind, unabhängig von einer Behinderung, hat eine einzigartige Persönlichkeit, die das Familienleben auf eine besondere Weise bereichert. Die Freude, Liebe und die gemeinsamen Erfahrungen, die ein Kind in eine Familie bringt, sind unbezahlbar und unersetzlich.
  2. Gleiche Würde: An den ersten Punkt schließt dieser hier an – ebenso grundlegend – direkt an: Jedes Leben besitzt denselben unantastbaren Wert und dieselbe Würde. Ein behindertes Kind ist genauso wertvoll und liebenswert wie jedes andere Kind. Und das ist keine Frage oder Abwägung, sondern Fakt.
  3. Tiefe und bedingungslose Liebe: Grundsätzlich ist die Liebe eines Kindes, behindert oder nicht, bedingungslos. Diese Liebe bringt Freude und Erfüllung in das Leben der Eltern und Geschwister. Die Beziehung zu einem behinderten Kind ist oft besonders deutlich von einer tiefen, bedingungslosen Liebe geprägt. Eltern berichten häufig, dass sie eine besondere Art von Nähe und Zuneigung erfahren, die sie sonst nie erlebt haben.
  4. Wachstum durch Herausforderungen: Die Herausforderungen, die ein behindertes Kind mit sich bringt, fördern persönliches Wachstum. Eltern lernen Geduld, Ausdauer und Kreativität, um die täglichen Hürden zu meistern. Gleichzeitig bringen diese Herausforderungen Familie oft stärker und enger zusammen. Die Bewältigung dieser Herausforderungen fördert Zusammenhalt, Mitgefühl und eine tiefere Bindung unter den Familienmitgliedern.
  5. Inklusive Gemeinschaft: Die Präsenz eines behinderten Kindes fordert eine Familie, aber noch mehr die Kirche heraus, inklusiver zu werden und die Bedürfnisse aller Mitglieder zu berücksichtigen. Dies kann das spirituelle Leben der Familie und der Gemeinschaft bereichern und zu einem stärkeren, solidarischeren Glaubensleben führen.
  6. Wertschätzung kleiner Erfolge: Jede noch so kleine Entwicklung des Kindes wird zu einem großen Erfolg, der gebührend gefeiert wird. Dies führt zu einer erhöhten Wertschätzung für die kleinen Freuden des Lebens.
  7. Gemeinschaft und Unterstützung: Eltern behinderter Kinder finden oft eine starke Gemeinschaft und Unterstützung bei anderen Familien in ähnlichen Situationen. Diese Netzwerke bieten Trost und praktische Hilfe im Alltag.
  8. Förderung von Empathie und Mitgefühl: Der Umgang mit einem behinderten Kind stärkt die Fähigkeit zu Empathie und Mitgefühl, nicht nur bei den Eltern, sondern auch bei Geschwistern und der erweiterten Familie. Nicht nur das: die Familie lernt ebenfalls, wie man mit Schwierigkeiten umgeht, Geduld übt und kreative Lösungen findet. Dies kann die emotionale Intelligenz und das Einfühlungsvermögen der gesamten Familie stärken.
  9. Einblicke in eine andere Perspektive: Behinderte Kinder haben oft eine einzigartige Sicht auf die Welt. Sie lehren ihre Eltern und ihre Umgebung, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen und das Leben aus neuen Perspektiven zu betrachten.
  10. Stärkung der Familie: Die Zusammenarbeit und der Zusammenhalt, der nötig ist, um die besonderen Bedürfnisse eines behinderten Kindes zu erfüllen, kann die Familienbande stärken und vertiefen.
  11. Inspiration und Stolz: Viele Eltern sind von der Tapferkeit und dem Lebenswillen ihres behinderten Kindes inspiriert. Diese Kinder überwinden oft immense Hürden und zeigen eine bemerkenswerte Stärke, die Stolz und Bewunderung hervorruft.
  12. Vorbildfunktion: Ein behindertes Kind kann für andere in der Gesellschaft ein Vorbild sein, das zeigt, wie man trotz Hindernissen ein erfülltes und glückliches Leben führen kann. Die Familie kann stolz darauf sein, Teil dieser positiven Veränderung zu sein.
  13. Erweiterung der Perspektive: Ein behindertes Kind bringt oft eine einzigartige Perspektive in die Familie ein, die andere dazu inspiriert, die Welt aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Diese Erweiterung der Sichtweise kann das Leben der Familie auf tiefgreifende Weise bereichern.
  14. Förderung von Inklusion und Bewusstsein: Durch das Leben mit einem behinderten Kind tragen Familien dazu bei, das Bewusstsein und die Akzeptanz in der Gesellschaft zu fördern. Sie setzen sich aktiv für Inklusion und die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein. Dies trägt nicht nur zur eigenen Familie, sondern auch zur Gesellschaft bei, indem es das Bewusstsein für die Rechte und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen stärkt.
  15. Der moralischen Anforderung gerecht werden: Ein behindertes Kind stellt eine besondere ethische Verantwortung dar, die damit einhergeht, ein behindertes Kind in die Gemeinschaft zu integrieren. Diese Verantwortung wird zu einer gelebten Theologie der Wertschätzung und Liebe, die die Würde und den Wert jedes Menschen anerkennt und feiert.
  16. Einfachheit und Ehrlichkeit: Behinderte Kinder neigen dazu, das Leben auf seine grundlegenden und ehrlichen Elemente zu reduzieren. Ihre Art, die Welt zu erleben, ist oft frei von Vorurteilen und gesellschaftlichen Normen, was eine erfrischende Einfachheit in das Familienleben bringt.
  17. Wert jedes Lebens: Jedes Leben ist wertvoll und einzigartig. Behinderte Kinder erinnern uns daran, dass der Wert eines Menschen nicht von seiner Leistung oder Fähigkeit abhängt, sondern von seiner bloßen Existenz und dem, was er in die Welt bringt.
  18. Göttliche Liebe und Akzeptanz: Ich glaube fest, dass alle Menschen von Gott geliebt werden. Diese universelle Liebe lehrt uns, jeden Menschen, unabhängig von seinen Fähigkeiten, zu schätzen und zu respektieren.
  19. Lernen von Menschen mit Behinderung: In unserer Leistungsgesellschaft können wir viel von behinderten Menschen lernen. Sie zeigen uns, dass es nicht nur um Leistung und Erfolg geht, sondern um Menschlichkeit, Mitgefühl und Resilienz.
  20. Tiefe spirituelle Lehren: Die Erfahrung, ein behindertes Kind in der Familie oder Gemeinde zu haben, vermittelt tiefe spirituelle Lehren über Liebe, Akzeptanz, Geduld und Demut. Diese Erfahrungen fördern eine tiefere Verbindung zu Gott und zur eigenen Spiritualität.
  21. Vielfalt als Wert: Vielfalt in allen ihren Formen, einschließlich der Vielfalt der Fähigkeiten, ist eine Quelle von Stärke und Reichtum für die Gesellschaft und die Familie.
  22. Emotionale Tiefe und Unmaskiertheit: In einer oft gefühlskalten Gesellschaft bieten behinderte Menschen eine Tiefe und Authentizität, die berührt und inspiriert. Ihre Emotionen sind oft unverfälscht und direkt, was echte menschliche Verbindungen fördert.
  23. Gesellschaftliche Notwendigkeit: Unsere Gesellschaft braucht behinderte Menschen, um die Perspektiven auf Leistung, Wert und Solidarität zu korrigieren. Sie helfen uns, die Bedeutung von Mitgefühl, Akzeptanz und gegenseitiger Unterstützung zu erkennen und zu schätzen.
  24. Inklusives Gottesbild: Ein behindertes Kind fordert das landläufige Verständnis von Gott und Religion heraus und bereichert es. Es hilft, ein inklusiveres Gottesbild zu entwickeln, das alle menschlichen Erfahrungen und Körperlichkeiten wertschätzt.
  25. Stärkung der Solidarität: Das Leben mit einem behinderten Kind fördert Solidarität und Zusammenhalt. Familien und Gemeinschaften lernen, zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen, was das soziale Gefüge stärkt.
  26. Wertschätzung des Lebens: Behinderte Kinder lehren uns, das Leben in seiner ganzen Fülle zu schätzen. Sie zeigen uns, dass jeder Moment kostbar ist und Freude oft in den einfachsten Dingen zu finden ist.
  27. Göttliche Solidarität mit Behinderung: Davon ausgehend, dass Gott in Gestalt des leidenden Christus selbst eine behinderte Figur ist, solidarisiert sich Gott besonders im leidenden Christus mit den Schwächsten der Gesellschaft. Das zeigt, dass Behinderung nicht etwas ist, das beseitigt oder vermieden werden muss, sondern Teil der göttlichen Erfahrung ist und dass Gott die Erfahrungen und Herausforderungen von Menschen mit Behinderungen versteht und teilt. Dies verleiht dem Leben eines behinderten Kindes eine besondere spirituelle Bedeutung und Würde.
  28. Gemeinsame Verletzlichkeit: Behinderung ist nicht etwas ist, das „die Anderen“ betrifft, sondern spiegelt eine universelle Erfahrung menschlicher Verletzlichkeit wider. Ein behindertes Kind erinnert die Familie und die Gesellschaft daran, dass alle Menschen verletzlich und aufeinander angewiesen sind. Diese Erkenntnis kann das eigene Leben und die spirituelle Reise tiefgreifend bereichern. In der Akzeptanz der eigenen und der familiären Verletzlichkeit liegt eine große Stärke. Ein behindertes Kind zeigt auf, dass wahre menschliche Stärke oft darin liegt, unsere Zerbrechlichkeit zu erkennen und anzunehmen.
  29. Entwicklung von Resilienz: Der Alltag mit einem behinderten Kind kann herausfordernd sein, aber er fördert auch die Entwicklung von Resilienz und innerer Stärke. Diese Fähigkeiten sind von unschätzbarem Wert und helfen, andere Lebenskrisen besser zu bewältigen.
  30. Langfristige Bereicherung: Die Bereicherung durch ein behindertes Kind in der Familie ist nicht nur eine kurzfristige, sondern eine lebenslange Erfahrung. Die Werte, Lektionen und Liebe, die ein solches Kind in das Leben der Familie bringt, haben eine dauerhafte und tiefgreifende Wirkung. Auf die Familie und darüber hinaus.

Behinderte Familien sind der Hammer!

Ein behindertes Kind zu bekommen, stellt Eltern definitiv vor immense Herausforderungen, aber auch vor unglaubliche Möglichkeiten. Die gemeinsame Reise mag nicht immer einfach sein, doch die Stärke, Liebe, der Zusammenhalt und die Erweiterung des Weltverständnisses, die daraus erwachsen, sind unbezahlbar. Es ist ein Geschenk, das das Leben auf unerwartete Weise bereichern kann, indem es tiefere Beziehungen, verstärkte Empathie und ein größeres Verständnis für die Welt um uns herum fördert.

Dazu kommt, dass ein behindertes Kind nicht nur unglaublich wertvoll ist, sondern dass es eine tiefgehende spirituelle Bereicherung für das eigene (Familien-)Leben darstellt. Wir bekommen so noch einmal ganz unvermittelt Zugang dazu, dass Behinderung eine göttliche Erfahrung ist, die uns allen eine tiefere Verbindung zu Gott, zu uns selbst und zu unseren Gemeinschaften ermöglicht.

Den Wert von Kindern feiern

Eigentlich ärgert mich dieser Blogartikel. Ziemlich sogar. Also nicht der Text als solcher. Den finde ich gut (sonst hätte ich ihn auch nicht geschrieben, denke ich).

Mehr das Gefühl, das ich habe, dass so ein Artikel notwendig ist. Dass wir (immer noch) in einer Gesellschaft leben, in der Fragen wie „Sollten wir ein behindertes Kind bekommen?“ oder „Sind behinderte Menschen gleich viel wert, wie Nicht-Behinderte“ nicht absurd klingen, sondern an der Tagesordnung sind.

Ich würde mir so sehr wünschen, dass wir als Gesellschaft das Potenzial und den Wert jedes einzelnen Kindes erkennen und feiern – unabhängig von Behinderung, Status, Hautfarbe … Ich würde mir so sehr wünschen, dass wir Menschen lieben. Einfach, weil sie Menschen sind. Weil sie genauso wie sie sind, eine Bereicherung sind. Weil Gott sie geschaffen hat und liebt. Weil wir einander brauchen.

Und dass wir dann entsprechend Hilfen, Unterstützung etc. bereit stellen, wo sie nötig ist, um Einschränkungen auszugleichen, Teilhabe zu ermöglichen, Miteinander zu fördern und Familien, Kirche und Gesellschaft zu bauen, die für alle offen bereit ist.

Das wünsche ich mir nicht nur für behinderte Kinder, behinderte Familien etc., sondern für uns alle. Wir haben das alle miteinander so sehr nötig.

Lust auf ein persönliches Gespräch?

Du hast Fragen, oder einfach Lust unsere behinderte Familie kennenzulernen und dich auszutauschen? Dann melde dich – wir freuen uns drauf!

Dieser Artikel nimmt teil an der Blogparade „Nicht gut genug. Ist das wirklich wahr?“ von Heike Schmidt.

Das war spannend? Dann lies mal DAS hier:

Bilder: Dall-E, Canva.

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2 Kommentare

  1. Lieber Heiko, was für ein berührender und liebevoller Beitrag. Ich kann dein Unbehagen diesem Beitrag gegenüber nur teilen. So ein Beitrag sollte nicht notwendig sein. Es sollte selbstverständlich sein, dass wir als einzelne und als Gesellschaft den Wert keines Menschen und keines lebendigen Wesens infrage stellen. Leider ist unsere Lebensrealität eine so vollkommen andere und dein Beitrag gerade in der heutigen Zeit ein sehr notwendiger. Wir alle haben diese Achtung und gegenseitige Liebe verdient, Menschen, die sich nicht selbst schützen können, bedürfen unserer Wertschätzung, Liebe und inzwischen auch wieder unseres Schutzes. Danke für diesen wichtigen Beitrag sagt die Sylvia aus Sachsen.

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