Ein ganzer Monat auf Reha. Vorher schon dagewesen und danach noch geblieben. Ein „Mittendrin-Monat“ sozusagen. Und damit eine Zeit, in der ich mich voll einlassen durfte auf: Rausgenommen-Sein aus Alltag, Familie und Sorgen um meine Arbeitsfähigkeit. Therapien. Ausprobieren, was mir guttut. Nichts Müssen. Den Burnout-Ursachen nachgehen, ohne direkt eine Lösung dafür haben zu müssen … insgesamt neu herauszufinden: Wer bin ich eigentlich? Und was brauche ich?
Ein ziemlich guter Monat. Ein echt entspannender Monat. Und ein sauanstrengender dazu.
Ausgebrannt & aufgetankt: ein ganzer Monat Reha

In vier Wochen Reha passiert wahnsinnig viel. Extern an Terminen, Therapien, Gesprächen. Intern an Nachspüren, Reflexion, Erkenntnis und vielem mehr.
Besonders wichtig ist mir in diesem Monat geworden:
- Auch, wenn mir schon vor der Reha bewusst war, dass dieser Burnout „nicht einfach schnell wieder weggeht“, hätte ich auf Nachfrage immer gesagt: „Ich muss möglichst schnell wieder arbeiten und zu Hause mindestens so viel Verantwortung tragen können, wie vorher.“
Im Laufe des März ist mir deutlich geworden: Die Überforderung in unserem Leben geht schon so lange und hat so deutlich zum Crash geführt – es ergibt absolut überhaupt keinen Sinn, in irgendeiner Weise zu früh wieder leisten und Verantwortung tragen zu wollen (vor allem, wenn es dann quasi im „alten System“ weiterläuft wie vorher). Das muss unweigerlich wieder in dieselbe Richtung und irgendwann zum erneuten Zusammenbruch führen. Je früher und unvorbereiteter ich wieder ins alte System einsteige, desto früher.
Ich darf mir also tatsächlich die Zeit nehmen, die es braucht, um wirklich wieder entspannen zu können, Verbindung zu mir und meinen Grenzen aufzunehmen, zu heilen und neue Routinen und Wege mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen einzuüben, bevor ich „zurück“ zu Arbeit etc. gehe. Damit ich tatsächlich nachhaltig wieder da bin und leben kann, ohne dabei unweigerlich auszubrennen.
Beim Schreiben scheint mir das wie eine Binsenweisheit, für mich ist es – in der Anwendung auf meine Situation – aber eine bahnbrechende Erkenntnis. - Es ist so unfassbar wunderbar und gut, dass wir in Deutschland (also ziemlich einzigen Land überhaupt) ein Reha-System haben. Diese Möglichkeit zu haben, ist ein richtig großes Geschenk!
- So viele Menschen sind in der ein oder anderen Weise vom Leben überfordert. Und wir wissen das oft voneinander nicht (oder kaum). Lasst uns viel vorsichtiger und liebevoller miteinander umgehen. Wir könnens alle gut gebrauchen.
- Ich habe seit Langem mal wieder so etwas wie Entspannung gespürt. Seit ziemlich Langem. Und es ist sooo schön. Könnte ich mir vorstellen öfter zu haben 😉
- An sich selbst zu arbeiten, zu reflektieren, Motive zu erkennen und und und … ist echt harte Arbeit. Und ich habe sie viel zu lange nicht getan.
Weiteres im Reha-März:
Reha-Blogging
Im März sind vor allem – wie soll es auch anders sein – Blogbeiträge mit Reha-Bezug erschienen:
- Mit Schönheit gegen die Krise anfeiern. – Wie ein Besuch im Schmetterlingshaus mit Sohn 01 mir etwas über Schönheit mitten in Krisen gelehrt hat.
- Mein Monatsrückblick Februar 2024: It’s Reha-time.
- Wie fast jeden Monat: 12 Bilder vom 12. des Monats – mitten aus meinem Reha-Alltag.
- Was ist der Kabuki-Count? – Ein Artikel, der mir sehr am Herzen liegt, weil er direkt unseren Sohn und sein Wohlergehen betrifft. Schau gerne mal rein und teile den Artikel wo immer möglich und sinnvoll. Danke.
- Ich lasse los: Die geistliche Übung für mehr Ruhe vor dem Schlafengehen. – eine wirklich schöne und hilfreiche Übung, die ich während der Reha für mich etablieren konnte.
- Pilgern auf dem Hirtenweg über den Egenhäuser Kapf – ein ganz kurzer Pilgerweg im Nordschwarzwald und meine Erfahrungen damit. Zu diesem Thema (pilgern) wird es demnächst immer wieder einmal Artikel von mir geben. Wenn dich dazu etwas besonders interessiert, oder du eine Frage hast, schreibs mir gern in die Kommentare.
Ich werde Malbuch-Designer
Eigentlich wollte ich meinen Jungs von der fernen Reha etwas Persönliches schenken. Etwas, das ich selbst gemacht habe. Mit Liebe und so.
Eigentlich dachte ich dabei an ein Malbuch, dass ich irgendwie für die beiden gestalte und ihnen schicke. Ich bin bei diesem Projekt aber an der durchaus beachtenswert breiten Schlucht zwischen den kreativen Ideen, die mein Kopf ersinnt und der Unfähigkeit meiner Hände, diese künstlerisch umzusetzen, gescheitert.
Und dann wurde mir KI zu einer großen Hilfe. Zusammen haben DALL-E und ich tatsächlich ein einigermaßen ansehnliches Malbuch fabriziert. Faszinierende Sache. Nur leider wurde das Malbuch nicht während der Reha fertig. Soll also im April noch werden. Und wird dann nachträglich verschenkt. Das war zwar eigentlich nicht ganz mein Plan, aber immerhin.
Edit (28.04.2024): Hier gehts zum mittlerweile fertigen Buch.
Ich werde (besser nicht) Hörbuchsprecher
Ersatzweise hatte ich (in weiser Voraussicht) zwei Bücher eingepackt. Ein Bilderbuch für Sohn 02 und ein Kinder-Krimi für Sohn 01. Diese Bücher hätte ich definitiv und mindestens abends beim Ins-Bett-Bringen vorgelesen. Und deshalb habe ich sie dann halt aus der Reha vorgelesen.
Für Sohn 02 gab es ein Video, sodass er die Bilder im Buch sehen und meine vorlesende Stimme hören konnte.
Für Sohn 01 gab es über 22 Tage lang jeden Abend eine Sprachnachricht mit einem Krimi-Kapitel zum Anhören im Bett.

Ich fands zwar ein bisschen merkwürdig meinem leeren Patientenzimmer vorzulesen, aber die Jungs haben sich mega gefreut. Einzig Sohn 01 fühlte sich bemüßigt, hinterher meine „Sprachnachrichtenstimme“ vorsichtig zu kritisieren. Positiv gesprochen, mag er meine Live-Vorlese-Stimme lieber. 😉
Ich werde Alltagsmönch
Tagzeitengebete
Eine starke Suchbewegung während meiner Burnout-Zeit bisher und besonders im Verlauf der Reha ging in Richtung Gott und geistlichem Leben. All die Dinge, die ich da vorher „gemacht“ habe, wie regelmäßiges Bibellesen und über Texte reflektierend beten, (freies) Gebet überhaupt, die Lektüre geistlicher Literatur, etc., haben mit fehlender Energie, nicht mehr vorhandenem Antrieb und kaum möglicher Konzentration nicht mehr „funktioniert“. Die Folge war: Ich fühlt mich merkwürdig unverbunden. Nicht nur mit mir selbst, sondern eben auch mit Gott.
Ein Weg, der mir hier sehr geholfen hat, sind die Tagzeitengebete. Hätte früher nicht gedacht, dass ritualisierte, liturgische, sich täglich teilweise wiederholende Worte anderer ein geistlicher (Lebens-)Stil für mich sein könnten.
Aber aktuell ist das so unfassbar hilfreich für mich. Mich auf eine Regelmäßigkeit einlassen, über die ich nicht nachdenken muss. Mir Worte von Menschen leihen, die eine tiefe Verbindung zu Gott haben. Worte mit beten, die schon seit hunderten, manchmal tausenden Jahren gebetet werden. Über eine Woche immer wieder dieselben Worte nutzen, Impulse einsacken lassen …
Die Tagzeitengebete bringen mir sowohl ein Gefühl von Verbindung zurück, als auch den ein oder anderen Perspektivwechsel im Alltag, weil weniger meine Problemperspektive im Vordergrund stehen muss, sondern ein hoffnungsvoller Glaubensblick durchscheinen darf.
Ich nutze die Tagzeitengebete der Ev. meth. Kirche der Schweiz. Die sind jede Woche neu aufbereitet und dort downloadbar. Super Sache.
Meditative Wanderungen

Eigentlich bin ich ja nicht so der Fan von sportlicher Betätigung. Aber ich habe auf der Reha zwei Dinge entdeckt.
- Bewegung in der Natur hilft mir beim Denken. Beim Spazieren und Wandern mit Blick auf Wiesen, Bäume, Bäche etc. bin ich viel mehr bei mir, als sonst oft. Und ich kann deutlich klarer denken und mich besser fokussieren und konzentrieren. Sehr tolle Erfahrung.
- Natur ist quasi ablenkungsfrei. Mein Hirn und mein Nervensystem können sich inmitten von nichts als Schöpfung entspannen und ohne Stress wahrnehmen. Sich verlieren in sich im Wind bewegenden Blättern, grasenden Schafen oder über Steine gurgelndem Wasser. Das bringt mich zur Ruhe. Zu mir. Zu Erkenntnissen über mein Innenleben. Und ins Gespräch mit Gott über all das und seine Perspektive dazu.
Davon kann ich tatsächlich mehr in meinem Leben gebrauchen.
Journaling

Eigentlich habe ich vor allem deswegen begonnen, mit einem Notizbuch durch die Klinik zu laufen, weil ich mir einfach kaum was merken kann aktuell. Burnout sei Dank.
Nach und nach habe ich entdeckt, dass das Notizbuch aber noch deutlich mehr für mich tun kann. Ich kann ja nicht nur Fakten aufschreiben, die wichtig sind. Ich kann aufschreiben, was ich gerade getan oder erlebt habe – und wie es mir damit ging. Ich kann darin Dinge tracken, die ich gerne etablieren würde, weil sie hilfreich für mich sind. Ich kann festhalten, wofür ich dankbar bin – trotz aller Herausforderungen und dem Mist, durch den ich grade so durch muss. Therapienotizen finden darin genauso Platz wie Ergebnisse von Reflexionen oder Ideen/Einsichten, die mir im Gebet kommen.
Dafür ein einfaches Notizbuch (völlig undigital) zu nutzen und von Zeit zu Zeit zu checken: Wofür war ich diese Woche eigentlich so alles dankbar? Wobei habe ich mich gut gefühlt und wobei nicht – und warum eigentlich? Wovon hätte ich gerne mehr in meinem Leben und wovon weniger? – das hat mir sehr, sehr, sehr geholfen. Ganz langsam wieder Verbindung zu mir, meinen Gefühlen und Bedürfnissen aufzunehmen, z. B.. Oder ganz langsam wieder etwas deutlich zu sehen, wo meine Perspektive auf Leben, Leistung, meine Verantwortung etc. schief und wenig hilfreich ist – und wie eine gute Veränderung aussehen könnte. Aus „therapeutischer“, aber auch aus göttlicher Perspektive.
So ist das Notizbuch und das – quasi ständige – Journaling zu meinem treuen Begleiter geworden.
(Edit 03.05.2024) Mittlerweile habe ich ein eigenes Dankbarkeitstagebuch zusammengebastelt. Das kannst du dir hier ansehen und bestellen:
Das ist – alles zusammengenommen – sicher noch kein wirkliches Alltagsmönchtum. Aber es zeigt eine Richtung, die mir gefällt. Mal sehen, was und wie sich/ich das weiter entwickelt/entwickeln lässt.
Das war spannend? Dann lies mal DAS hier:
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Warten. Staunen. Bleiben. – Dein Adventskalender
Dein spiritueller Adventskalender: tägliche Auszeiten, poetische Texte und Rituale für Herz und Seele. Viel mehr als Schokolade!
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Ruheinseln im Alltag – meine Artikelserie im MINDO-Magazin
Entdecke die Serie Ruheinseln im Alltag im MINDO-Magazin: 10 Artikel mit Impulsen, Achtsamkeit und Praxisideen für mehr Ruhe und Kraft.
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Feuerfest leiten – Survival-Guide gegen Burn-out: meine Artikelserie bei MRJ
Entdecke die Serie „Feuerfest leiten“: 7 Artikel über Burnout-Prävention, Selbstfürsorge, Teamkultur und Spiritualität für Leiter:innen
Bilder: privat, Dall-E, Canva.
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