Mit Schönheit gegen die Krise anfeiern

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blauer Schmetterling

Wann und wie nehmen wir Schönes wahr? Wenn es uns gutgeht, fällt das meist eher leicht. Aber wenn wir gestresst sind, deprimiert, ausgebrannt oder im Krisen-Modus, liegt unser Fokus eher auf dem Schlechten. Dem, was nicht funktioniert. Dem gar nicht so Schönen.

Dabei kann der Blick auf etwas Schönes in unserem Leben, der aktuellen Situation oder der Natur uns direkt guttun und vielleicht sogar dabei helfen, den Blick zu weiten und festzustellen: Es gibt trotz allem Mist und allen Krisen in der Welt auch so viele Wunder und Schönheit. Warum sollten wir das nicht feiern?

Naturschönheit

„Der beißt mich aber nicht, oder?“, quiekt Sohn 01 erschrocken, als sich ihm im Schmetterlingshaus ein blauer Falter auf den Arm setzt. Wobei „blau“ diesem schillernden Farbspektakel gar nicht gerecht wird. Die handgroßen Flügel (in Sohnhänden gerechnet) schimmern in einem dunklen tiefen Blau; dazu mal Azur, mal Cyan, mal himmelblau leuchtend. Ein bisschen Glitzer scheint auch dabei. „Boah, ist der schön“, lässt sich der Sohn auch schon vernehmen, obwohl ich seine Frage noch gar nicht beantwortet habe.

Um uns herum tänzeln Schmetterlinge durch die Luft. Kleine und große, unscheinbar bräunliche und knallbunt leuchtende. Der Sohn entdeckt ständig neue Farbkombinationen und kann sich kaum satt sehen an Faltern, die mit ihren Rüsseln den Saft aus überall dargebotenem Obst trinken.

„Wie viel Schönheit und Anmut in so einem kleinen Tier steckt“, denke ich träumerisch und genieße das leichte Kitzeln – ausgelöst von zwei Distelfaltern, die sich auf meiner Hand niederlassen. Und bei genauerem Hinsehen sind auch diese Schmetterlinge echte Naturschönheiten. Die Flügel sind nahezu symmetrisch gefärbt. Schon als Kind habe ich mich immer gefragt, woher die Flügel bei ihrer Entwicklung eigentlich wissen, welcher Bereich wie gefärbt werden muss.

„Andererseits auch eine ganz schöne Verschwendung“, höre ich mich denken. „All diese Kunst, Ästhetik und Anmut für so ein kleines Tier, das noch dazu gar nicht lange lebt und dessen Flügel so empfindlich sind, dass man sie als grober Mensch am besten gar nicht berührt.“

Blauer Schmetterling
Flügelt ein kleiner blauer Falter vom Wind geweht,
ein perlmutterner Schauer, glitzert, flimmert, vergeht.
So mit Augenblicksblinken, so im Vorüberwehn
sah ich das Glück mir winken, glitzern, flimmern, vergehn.

Hermann Hesse

Schönheit entwickelt sich – und zack ist sie da

Da reißt mich der Sohn aus meinen Gedanken. „Papa, was ist das?“ Er steht vor Vitrinen, in denen verpuppte Raupen hängen. Teilweise hängt dort auch nur noch die Hülle – da ist das Wunder der Metamorphose schon geschehen.

Ist das nicht wirklich verrückt? Eine wurmige Raupe, die sich rund und dick gefressen hat, sucht sich einen geschützten Platz, hängt sich mit dem Kopf nach unten hin, verpuppt sich und führt einen ziemlich guten Zaubertrick auf. Denn wenn sie aus diesem Kokon herauskommt, ist sie ein leichtfüßiger Schmetterling. Dafür löst die Raupe sich durch die eigenen Verdauungssäfte selber auf und nur ein paar Raupenzellen bleiben übrig. Aus diesen bildet sich der neue Schmetterlingskörper. Ist er geschlüpft, pumpt er Wasser in seine noch völlig zerknitterten Flügel, um sie zur vollen Entfaltung zu bringen. Dann scheidet er noch überschüssige Farbe, die er für die Färbung der Flügel nicht benötigte, aus … und schon tänzelt die Naturschönheit durch die Luft. Der Sohn befindet, dass er sich nicht selbst auflösen wolle – aber das sei für ihn ja auch nicht so nötig wie für diese hässlichen Raupen.

Schönheit feiern

Die Natur um uns herum strotzt nur so von Schönheit und Wunderbarem. Wie schön ist es, bunt gefärbte Vogelgefieder anzusehen, die Struktur von Blättern zu bestaunen, die Vielfalt von Wolkenformen zu genießen oder die Blütenpracht einer Blumenwiese auf sich wirken zu lassen. Fast zu schön, um nach kurzer Zeit schon wieder zu vergehen.

Aber vielleicht macht genau das den Zauber aus. Ich kann den morgendlichen Waldnebel, der von Sonnenstrahlen durchbrochen wird, nicht einfangen. Aber ich kann den Moment in mich aufnehmen und genießen. Ich kann den blauen Schmetterling auf dem Arm meines Sohnes nicht festhalten. Aber ich kann mich an der Schönheit dieses Moments freuen und eine Erinnerung daraus machen, die (immer wieder) guttut.

Vielleicht ist das das Wesen der Schönheit. Sie entzieht sich unserer Verfügung. Sie ist nicht konservierbar oder reproduzierbar. Schönheit liegt immer im Jetzt. Und genau in diesem Moment will sie gefeiert werden. Wie schön!

Metamorphose-Beobachter

Der Sohn und ich fanden die Begegnungen im Schmetterlingshaus so schön, dass wir uns ein Zuchtset für Schmetterlinge bestellt haben. Gemeinsam konnten wir über viele Tage beobachten, wie aus gar nicht mal so schönen und ziemlich gefräßigen Raupen, ganz filigrane, wunderschöne Schmetterlinge wurden.

Als wir ihnen dann nach der Freilassung beim Wegfliegen zusehen konnten, war das ein echt bewegend schöner Moment. Wie eine kleine Feier. Da ist Leben noch mal ganz neu entstanden und wir durften den Prozess beobachten. Hammersache!

Live dabei: Von der Raupe zum Schmetterling

Der Fokus machts

Ein Indianer, der in einem Reservat lebte, besuchte seinen weißen Freund in der Großstadt. Er war verwirrt vom vielen Lärm, von der Hektik und von der schlechten Luft. Die beiden gingen die Straße entlang. Plötzlich blieb der Indianer stehen und horchte auf. „Hörst du die Grille zirpen?“, fragte er seinen Freund. „Du musst dich täuschen, hier gibt es keine Grillen. Und selbst wenn, dann würde man sie niemals bei diesem Lärm hören.“ Der Indianer ging ein paar Schritte und blieb vor einem mit Efeu bewachsenen Haus stehen. Er schob die Blätter sanft auseinander und fand die Grille. „Ja, gut, du hast die Grille gehört. Dein Gehör ist aber auch besser geschult als meines“, gab ihm sein Freund zu bedenken. Der Indianer schüttelte den Kopf: „Nein, das Gehör eines Indianers ist nicht besser als das eines weißen Mannes. Ich werde es dir beweisen.“ Er griff in seine Tasche, holte eine Münze hervor und warf sie auf den Gehsteig. Sofort blieben mehrere Leute stehen und sahen sich um. „Siehst du, mein Freund, es liegt nicht am Gehör. Es liegt am Fokus unserer Aufmerksamkeit, was wir wahrnehmen und was nicht.“

Autor unbekannt

Worauf ist dein Fokus gerichtet? Worauf würdest du ihn gern ausrichten? Was in deinem Alltag/Leben soll mehr Aufmerksamkeit bekommen als bisher? Welche Schönheiten sollen neu wichtig werden für dich?

Auf Schönheitssuche gehen

  • Welche wunderschönen Momente würdest du gern einfangen und konservieren?
  • Wofür in der Natur (außer Menschen) bist du so richtig dankbar und was dürfte keinesfalls fehlen – welches Tier, welche Pflanze, welches Element?
  • Fällt es dir eher schwer oder leicht, schöne Momente im Alltag bewusst zu sehen, aufzunehmen und zu genießen? Was macht es leicht/schwer?
  • Was könnte dir dabei helfen, Momente/Zeiten zu finden, in denen du ganz im „Hier und Jetzt“ lebst und einen Sinn für das Schöne haben kannst?
  • Wie ist das mit Glaube und Gott bei dir: Verbindest du Gott mit Schönheit? Bei mir ist auf jeden Fall so. Warum? Und wenn ja: Wie nimmst du das in deinem Leben wahr?

Viel mehr schöne Texte gibt es hier:

Bild von Canva.

4 Kommentare

  1. Lieber Heiko,
    ich kann mich Julia nur anschließen! Ich mag deinen fast lyrischen Text, deine filigranen Naturschilderungen und die in jedem Wort spürbare Freude an den Entwicklungen, an der Entstehung und dem Werden von Leben.
    Bei der Schönheitssuche bin ich dabei – wann immer ich einen schweren/deprimierenden/anstrengenden Tag habe und auch sonst, renne ich durch die Natur und lasse mich bezaubern und betören von turtelnden Tieren, duftenden Blüten und dramatischen Himmelsschauspielen.
    Wie schön, dass dein Sohn und du gleich einen Schmetterling aufgezogen habt.
    Viele Grüße
    Silke

    1. Das hast du aber ebenso schön geschrieben, liebe Silke. Danke.

      Ich genieße das hier auf der Reha total, dass immer wieder die Frühlingssonne rauskommt und mich rauslockt. Und ich auch noch die Zeit habe, mehrmals am Tag eine Dosis Naturschönheit einzunehmen.

      Gruß
      Heiko

  2. Lieber Heiko,
    was für ein toller Text, für mich schon fast wie ein Gedicht 🙂 Ich habe deinen Text wirklich sehr gerne gelesen. Danke dafür.

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