Wie Kunst uns in Krisen helfen kann

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Heiko und Kunst

Es ist lebenswichtig, sich mit guter, tiefgehender, lustiger und verändern wollender Kunst und Kultur zu umgeben – damit sie ihren Job in unserm Leben machen – und uns durch Krisen tragen kann! Egal, ob Burn-out, Kriege, Klimakatastrophe, Corona oder …

Dieser Artikel ist gleichzeitig mein Beitrag zur Blogparade: „KrisenPower:
Deine besten Tipps und Techniken, in Krisen Power zu bewahren
“ von Marion Abend, sowie zur Blogparade „Was bedeutet Kreativität für dich?“ von Hilke Barenthien.

„Spiels noch einmal Sam“

Kennst du dieses Filmzitat aus Casablanca? Ein Leinwandklassiker – das würde ich schon als echte Kunst bezeichnen. Falls du den Film also nicht kennst – klare Empfehlung!

Worum es jetzt wirklich geht:  Wir befinden uns gedanklich im ersten Corona-Lockdown. Seit Beginn der Kontakt-Sperren spielt unser Nachbar von zwei Etagen unter uns jeden Abend um 19:00 „Der Mond ist aufgegangen“ auf seiner Trompete. Dass er lustigerweise auch Sam heißt, und es jeden Abend noch einmal … aber lassen wir das.

Dass er das tut, geht auf einen Aufruf der Evangelischen Kirche zurück und findet wahrscheinlich und hoffentlich vielerorts in Deutschland statt.

Am Anfang fand ich das einfach eine nette Idee, dass jeden Abend viele Menschen an ihre Fenster oder auf Balkone treten und dieses Lied hören, spielen, singen – und sich dabei wenigstens aus der Ferne sehen. So fühlt man sich nicht allein, pflegt Gemeinschaft und setzt unserem irgendwie absurden neuen Alltag etwas entgegen.

Aber dann habe ich angefangen, das Lied bewusst mitzusingen, wirklich auf den Text zu achten und mir den ein oder anderen Gedanken dazu zu machen. Das hat mir echt gutgetan, ich habe einiges neues entdeckt – über das Lied und über mich in dieser Krise.

Mittlerweile liebe ich diese Minuten rund um 19:00 Uhr, die mir wirklich ein gutes Gefühl und Hoffnung schenken und weiß jetzt schon, dass ich das in den Nach-Corona-Zeiten vermissen werde …

Wie Kunst uns in Krisen helfen kann – Regenbogen über Marburg
Blick aus unserm Fenster – wo wir während des Lockdowns der abendlichen Trompetenkunst gelauscht und mitgesungen haben. Zwar gab es nicht jeden Abend einen Regenbogen. Aber immer wenn ich einen sehe, denke ich: Gott ist auch ein ganz schön großer Künstler. Und das nicht nur bei Regenbögen.
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Wer oder was ist eigentlich systemrelevant?

Unter den vielen neuen Wörtern, die wir in ersten Corona-Monaten lernen durften, wie Social Distancing, Homeoffice, Kontakt-Sperre, war eines dabei, das mich besonders ins Nachdenken gebracht hat. Das Wort „systemrelevant“.

Damit werden Menschen, Dinge oder Berufe beschrieben, die die Politik als so wichtig erachtet, dass sie für unser gesellschaftliches Zusammenleben unverzichtbar sind. Als systemrelevant gelten beispielsweise Polizisten, Ärztinnen oder Verkäufer.

Eines ist mir in den letzten Wochen dabei besonders aufgefallen: Wie sehr ich, wie sehr wir Kultur und Kunst brauchen. Wie systemrelevant Kunst und Kultur sind, auch wenn diese Berufe leider und sträflicher Weise nicht auf der offiziellen  „Systemrelevant-Liste“ auftauchen. Würde es dir auch nur einen Tag gelingen ohne gut gemachte YouTube-Videos, Musik, Filme, Podcasts, Bücher oder Fernsehen auszukommen? Oder gar eine ganze Woche? Besonders in einer Krise?

Was mir aber auch auffällt ist, dass viele Menschen (und mir geht es auch immer wieder so) Musik, Filme etc. gar nicht so recht genießen, sondern sich einfach reinkloppen.

  • Immer Musik im Hintergrund laufen haben,
  • eine Serie nach der anderen bingewatchen,
  • quasi immer und überall mit Kopfhörern unterwegs sein und sich beschallen lassen,

Wenn wir Kunst so wegkonsumieren, dann bleibt keine Zeit über das Gesehene und Gehörte nachzudenken, mich davon vielleicht hinterfragen, verändern und weiterbringen zu lassen. Dann bleibt kaum Raum in meinem Leben für wirkliche Ruhe und Stille und mich mit meinen eigenen Gedanken und Gefühlen.

Kann es sein, dass wir Kunst und Kultur dann nur nutzen, um eine Leere in uns zu füllen? Um Gefühle, die wir nicht mögen, oder Gedanken, die uns belasten, im Zaum zu halten und einfach zu übertönen? Gerade in den Krisenzeiten des Lebens?

Das scheint mir nicht so richtig hilfreich.

So könnts werden

Aber Kunst und Kultur können dir helfen, dich selber, deine Umwelt, deine Situation noch mal neu, anders wahrzunehmen. Sie können dir Fragen stellen, die dich verändern und weiterbringen. Sie können dich zum Lachen bringen (auch über Dinge, die eigentlich schlimm sind), Mitgefühl erzeugen, Absurditäten unseres Alltags aufdecken, das Gute und Schöne sichtbar machen und, und, und.

Es ist lebenswichtig, sich mit guter, tief gehender, lustiger und verändern wollender Kunst und Kultur zu umgeben – damit sie ihren Job in unserm Leben machen kann! Im besten Sinne des Wortes systemrelevant.

Und sei es „nur“ ein sich wiederholendes Kirchenlied vom Nachbarschafts-Balkon.

Machs doch einfach selbst

Mindestens genauso gut kann Kunst und Kultur dir helfen, dich zu verändern und zu deiner Rettung in der Krise werden, wenn du sie selber „machst“.

Besonders dann, wenn unser Inneres aufgewühlt, durcheinander oder angstvoll ist, hilft ein künstlerischer Dialog mit mir selber mir wieder klar zu sehen, die Prioritäten zurechtzurücken und meine Werte, meine Vision von Leben wieder ans Licht und zur Geltung zu bringen.

Sich einmal über die Schönheit der Natur Gedanken zu machen und sie zu malen, in einem Gedicht zu beschreiben o. ä. wirkt wahre Wunder gegen Angst.

Sich ein Theaterstück einfallen zu lassen, dass den alltäglichen Wahnsinn des Alltags überspitzt und lustig darstellt, vertreibt sofort alle Langeweile. Es dann mit der Familie einzuüben, hilft vielleicht sogar gegen die kleinen Streitigkeiten und Genervtheiten, die auftreten, wenn gerade mal wieder Krise ist.

Kunst und Kultur können und wollen uns in und durch Krisen helfen. Wir müssen sie nur lassen, oder machen 😉

  • Wie ist es aktuell um deinen Medienkonsum bestellt? Müllst du damit dein Leben und alle unschönen Gefühle und Gedanken zu, oder lässt du dich von Kunst herausfordern, hinterfragen, weiterbringen und mit Hoffnung erfüllen?
  • Was würdest du dir für dich in der aktuellen Situation diesbezüglich wünschen?
  • Wie könntest du auf die Wunschsituation hinarbeiten? Jetzt und vielleicht auch langfristig?

Vielleicht fängst du am besten einfach an und probierst es aus?

Wie Kunst uns in Krisen helfen kann – ausgemaltes Schneckenhaus aus der Gestalttherapie in der Reha.
Das Ergebnis meiner ersten Gestalttherapie während der Reha. Habs später auch noch ganz ausgemalt. Ich fand das Ausmalen fast schon meditativ: beruhigend, recht zweckfrei … und irgendwie symbolisch ist das Schneckenhaus auch. Hatte während des Burnout das starke Gefühl, mich sehr zurückgezogen zu haben von anderen, der Umwelt, mir selbst … wie in einem Schneckenhaus. Und wenn man sich schon in so was zurückzieht, dann solls doch auch schön bunt sein, oder?!

„Kann ich mal die blau haben?“

Februar 2024. Ich bin seit knapp sieben Monaten krankgeschrieben, weil meine Energie auf null ging, meine Konzentrationsfähigkeit auf Ramschniveau hing … ich ziemlich ausgebrannt war. Nach vielen Arzt- und Therapeutinnengesprächen und seeeeehr langer Wartezeit, durfte ich auf Reha fahren.

Auf dem Therapieplan, den man mir zu Beginn aushändigte, stand gleich für den ersten vollen Tag „Gestalttherapie“. Ganze zwei Stunden. Ich hatte jetzt keine direkte Vorstellung, was sich dahinter verbergen würde und war entsprechend angespannt, als ich mich auf den Weg zum entsprechenden Raum machte.

Und dann kam ich in einen Kust- und Werkraum, voll mit Papieren, Stoffen, Farben, Ton, Speckstein, Bügeleisen, Kleber, Holz, Zeitschriften und und und. Beeindruckend, aber auch ein wenig überwältigend.

Unter Anleitug der Therapeutin durfte sich jeder ein künstlerisches Projekt aussuchen. „Suchen sie eher etwas entspannendes, dann empfhele ich ihnen … Wenn sie ein konkretes Thema mal aus einer anderen Perspektive betrachten woll, versuchen sie doch mal … Vielleicht wollen sie aber auch mal wil sein, was Neues ausprobieren und sich verausgaben, dann …“ Jeder:r hatte schnell sein Projekt gefunden.

Ich habe in diesen ersten beiden Stunden Gestalttherapie ausgemalt. Ein stilisiertes Bild von einem versteinerten Schneckenhaus mit vielen kleinen Flächen. Von schwarz-weiß zu bunt. Einfach ausmalen. Ohne nachdenken, ohne Anspruch, was daraus werden muss, ohne Druck, dass es „fertig“ gestellt werden müsste. Einfach ausmalen. Habe ich seit meiner Kindheit nicht gemacht.

Was soll ich sagen: Es hat mir kollosal gut getan. Nichts groß wollen, nichts müsen. Einfach was tun, am Ende einen „Fortschritt“ sehen, der nicht bewertet werdden braucht. Sehr, sehr entlastend, entspannend und auch ein wenig stimmungsaufhellend. Und schön.

Ich weiß, bei meinem Farbengekritzel von Kunst zu sprechen ist ein wenig (eigentlich ziemlich) vermessen. Und trotzdem: auch diese leicht künstlerische Tätigkeit hat das Potential in Krise zu helfen und auf Dauer vielleicht ja sogar aus der Krise heraus?!

Natürlich gab es noch mehrmals Gestalttherapie auf meinem Plan. Ich habe was hochkünstlerisch klingendes ausprobiert: Aquarellkreide. Und die nicht so wahnsinnig künstlerisch klingende Farbspritzwand. Beides gut. Beides hilfreich.

Die Selber-Kunst-Machen-Challenge (ein überhaupt nicht kunstvoller Untertitel)

Und jetzt du. Lass mal Kunst machen. Kultur entstehen lassen. Bei dir zu Hause für dich. Mit deiner Familie, deinen Freunden, dem Team …

Vielleicht lässt du einen Dialog mit dir selber entstehen, der Spaß macht, herausfordert, lustig ist – und auch noch weiter hilft. Lass dir helfen und mach mit 🙂

Hier kommen ein paar Ideen für dich für eine ganze Woche:

Montag

Schreibe einen Brief an einen Fremden –  jemanden, der beim letzten Kinobesuch in der Reihe vor dir saß, der dich mal beim Einkaufen angerempelt hat … Schreibe dieser Person von deinem Leben. Was seit eurer ersten „Begegnung“ passiert ist. Wie du dein Leben lebst. Schreibe ihr, was du schon immer mal loswerden wolltest und dir auf der Seele brennt … und dann schick den Brief nicht ab 😉

Dienstag

Gestalte einen Reisetagebucheintrag von deiner Wohnung oder einem besonderen Ort in deiner Wohnung (die Kaffeemaschine, das Bett …). Schreibe so, als wärst du zum erstem Mal und zum Urlaub an diesem Ort. Was hast du da Besonderes beobachtet? Wie fühlst du dich da? Wie verhalten sich die »Ureinwohner« dieses fernen Urlaubsorts? Was lernst du über dich selbst in diesem Urlaub? Vielleicht malst du einen Lageplan dazu, was sich wo befindet, wie man von hier nach dort kommt etc.?

Mittwoch

Schließ deine Augen. Vielleicht machst du es dir gemütlich (besser vor dem Augen-Schließen). Was siehst du?  Klar, erst mal ist alles dunkel. Aber wenn du richtig hinsiehst, entstehen Bilder vor deinem „inneren“ Auge. Vielleicht ein Zirkusbär, ein großes Eis, eine Erinnerung (Knuddeln mit Papa, das erste eigene Auto …). Manchmal sind es auch einfach tanzende Lichtpunkte. Egal, was du siehst, schreib darüber. Beschreibe es so, dass eine Geschichte daraus wird. Solltest du lieber malen, bitte sehr.

Donnerstag

Stell dir vor, du könntest deinem Ich von vor 10 oder 20 Jahren einen Brief schreiben. Wofür würdest du gerne danken, loben, schimpfen, worüber ausrasten? Schreibe diesen Brief.

Fertig? Dann denken wir mal 10 bis 20  Jahre in die Zukunft. Was würdest du deinem Ich zu dieser Zeit gerne schreiben wollen? Was möchtest du ihm sagen? Vielleicht hast du auch Fragen an dich in der Zukunft? Vielleicht schreibst du ihm auch, wie du dir das Leben für dich in der Zukunft wünscht?

Freitag

Erinnere dich an einen Moment in deinem Leben, in dem du etwas getan hast, das dich so richtig zufrieden gemacht hat. Wo vielleicht Stunden wie im Flug vergangen sind. Wo du dich einfach gut und richtig gefühlt hast. Kannst du einen Song finden, der das Gefühl beschreibt, das du da hattest? Schreibe über diese Erfahrung und was das für dich bedeutet.

Samstag

Was ist das Lustigste, was dir im letzten Jahr passiert ist? Schreibe eine Geschichte darüber – und zwar aus der Sicht eines (eigentlich) unbeteiligten Gegenstands, der dabei war. Dein Schal, dein Ohrring, eine Straßenlaterne, die Taube auf dem Dach oder der Kaktus auf dem Fensterbrett … Wie könnte sich dieses Tier/Ding an dein Erlebnis erinnern?

Sonntag

Schreibe dir selbst einen Liebesbrief:  aus der Sicht eines/einer Anderen. Egal ob eine echte Person, von der du schon immer mal einen Liebesbrief bekommen wolltest, oder eine erfundene Person. Beschreibe in diesem Liebesbrief, was diese Person besonders an dir mag, was sie schön findet, weswegen sie Zeit mit dir verbringen möchte etc.

Wenn du magst, schick dir den Brief selber zu, oder öffne ihn einfach nach ein paar Wochen und ließ ihn, als wäre es wirklich ein Brief einer anderen Person an dich.

Das war spannend? Dann lies mal DAS hier:

Bilder: privat, Dall-E, Canva.

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