Wenn wir an eine Reha denken, haben viele von uns sofort Bilder von Menschen vor Augen, die nach einer Operation oder einem Unfall langsam wieder zu Kräften kommen. Doch was, wenn die Verletzung unsichtbar ist? Was, wenn es die Seele ist, die Heilung braucht? Hier kommt die psychosomatische Reha ins Spiel. Sie ist für Menschen da, deren körperliches und seelisches Wohlbefinden eng miteinander verknüpft sind – und wer von uns könnte das leugnen?
Während meiner eigenen Burn-out-Erfahrung habe ich noch mal sehr deutlich gezeigt bekommen, dass Körper und Seele Hand in Hand gehen. Als mein Geist müde war, schrie mein Körper regelrecht nach Hilfe. Ich kann mich noch gut an die Erschöpfung erinnern, die sich nicht nur im Kopf, sondern in jedem Muskel bemerkbar machte. Die mich wochenlang an Bett und Sofa fesselte und für die eigentlich alltägliche Dinge wie Duschen schon ein unüberwindbares Hindernis darstellten. Genau hier setzt die psychosomatische Reha an.
Für wen ist eine psychosomatische Reha geeignet?
Hier findest du eine Liste mit häufigen Gründen und Diagnosen, die eine psychosomatische Reha sinnvoll erscheinen lassen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Burnout: Chronische Erschöpfung, emotionale Abgestumpftheit und Leistungseinbruch aufgrund von anhaltendem Stress, häufig berufsbedingt.
- Depression: Anhaltende Niedergeschlagenheit, Interessenverlust, Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, Gefühl von Wertlosigkeit oder Hoffnungslosigkeit.
- Angststörungen: Starke, oft unbegründete Ängste, die das tägliche Leben beeinträchtigen, z. B. Panikattacken, generalisierte Angststörungen oder soziale Phobien.
- Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): Anhaltende seelische und körperliche Symptome nach einem traumatischen Erlebnis, wie Flashbacks, Vermeidungsverhalten und ständige Anspannung.
- Somatoforme Störungen: Körperliche Beschwerden ohne klar erkennbare körperliche Ursache, z. B. chronische Schmerzen, Erschöpfung oder Verdauungsprobleme.
- Chronische Schmerzerkrankungen: Schmerzsyndrome, die trotz medizinischer Abklärung nicht auf eine organische Ursache zurückzuführen sind, z. B. Fibromyalgie.
- Schlafstörungen: Chronische Schlaflosigkeit oder andere Schlafprobleme, die mit psychischen Belastungen verknüpft sind.
- Essstörungen: Magersucht, Bulimie oder Binge-Eating-Störungen, bei denen körperliche und psychische Aspekte eng miteinander verknüpft sind.
- Anpassungsstörungen: Psychische und körperliche Symptome als Reaktion auf belastende Lebensereignisse, wie etwa Trennungen, Arbeitsplatzverlust oder Tod eines Angehörigen.
- Zwangsstörungen: Wiederholte zwanghafte Gedanken (Zwangsgedanken) oder Handlungen (Zwangshandlungen), die das tägliche Leben stark beeinträchtigen.
- Psychosomatische Störungen aufgrund von chronischem Stress: Anhaltender Stress, der zu körperlichen Beschwerden wie Bluthochdruck, Magen-Darm-Problemen, Kopfschmerzen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt.
- Psychovegetative Erschöpfungssyndrome: Störungen des vegetativen Nervensystems, die sich in vielfältigen körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Schwindel oder Atemproblemen äußern, oft in Verbindung mit seelischer Belastung.
- Trauerreaktionen und schwere Lebenskrisen: Intensive seelische Reaktionen auf Verlust oder schwierige Lebensumstände, die zu psychosomatischen Beschwerden führen.
- Chronisches Müdigkeitssyndrom (CFS): Anhaltende, schwerwiegende Müdigkeit, die nicht durch Ruhe behoben werden kann, oft begleitet von Konzentrationsstörungen und Muskelschmerzen.
- Schwere Arbeits- oder Beziehungsprobleme: Konflikte oder Überforderungen, die psychosomatische Symptome auslösen, wie z. B. Erschöpfung, Magenprobleme oder Herzbeschwerden.
Eine psychosomatische Reha ist in diesen Fällen oft sinnvoll, da sie sowohl die psychischen als auch die körperlichen Beschwerden ganzheitlich betrachtet und behandelt.
Was genau passiert in einer psychosomatischen Reha?
Psychosomatik bedeutet im Grunde nichts anderes, als dass sich psychische Belastungen auch körperlich zeigen können. In einer psychosomatischen Reha geht es also darum, sowohl den Geist als auch den Körper wieder in Einklang zu bringen. Du wirst auf deinem Weg von einem interdisziplinären Team aus Ärzt:innen, Psycholog:innen und Therapeut:innen begleitet. Die Reha hilft dir z. B., Stress abzubauen, alte Muster zu durchbrechen und gesunde Strategien für den Alltag zu entwickeln.
Ich kann mich noch gut an meine ersten Tage in der Reha erinnern: Alles fühlte sich fremd an und völlig überfordernd. Doch schon bald wurde spürbar, dass ich hier nicht nur meine körperliche Erschöpfung angehen würde, sondern auch den inneren Druck, den ich jahrelang ignoriert hatte. In der psychosomatischen Reha geht es nicht um „reparieren und dann weitermachen wie bisher“. Es geht darum, sich selbst wieder neu kennenzulernen – zu verstehen, was dich aus dem Gleichgewicht gebracht hat, und Wege zu finden, wie du dieses Gleichgewicht in Zukunft halten kannst.
Das ist wichtiger, als ich initial dachte. Und auch viel schwerer. Aber unglaublich lohnenswert.
Die Rolle der Therapie
In der psychosomatischen Reha steht die Therapie im Vordergrund. Ob Gesprächstherapie, Gruppensitzungen, Einzelgespräche oder Entspannungsverfahren – es geht immer darum, herauszufinden, wie du dir selbst helfen kannst. In den Gruppentherapien musste ich mich anfangs arg überwinden: Kunsttherapie, Gruppengespräche, Musiktherapie, Körperwahrnehmung im Raum … vieles davon lag jetzt eher nicht so in meiner Komfortzone. Aber ich habe schnell gemerkt, dass ich nicht allein bin. Weder mit dem Überwinden noch mit meinen Herausforderungen und Problemen. Viele Mitpatient:innen hatten ähnliche Erschöpfungserlebnisse, und der Austausch war befreiend. Wir saßen da, jede:r
mit seiner/ihrer eigenen Geschichte, aber doch verbunden durch diese tiefe Erschöpfung. Ich kann gar nicht beschreiben, wie gut sich das angefühlt hat, sich mit Leuten zu unterhalten, die einfach verstehen, wie es mir geht.
Körperliche und seelische Heilung
Neben der psychischen Unterstützung spielt auch die körperliche Erholung eine große Rolle. Du bekommst oft Sport- und Bewegungsprogramme, die genau auf dich abgestimmt sind. Ich weiß noch, wie schwer mir die ersten Übungen fielen – mein Körper wollte einfach nicht mitmachen. Doch mit der Zeit wurde es tatsächlich leichter, und ich begann, ganz langsam etwas Freude an der Bewegung zu finden. Konnte ich anfangs oft die Hälfte der Übungen nicht wirklich mitmachen, war ich am Ende – für meine Verhältnisse – echt gut dabei und war z. B. auf unserer „Frühsport-Laufstrecke“ immer in der vorderen Gruppe mit dabei.
Diese kleinen Erfolge haben mich motiviert, weiterzumachen. Einige Dinge, wie Rückengymnastik und Faszientraining, mehr als andere. Ein Freund von rhythmischer Gymnastik oder solchen Dingen werde ich wohl nie.
Ein neuer Alltag nach der Reha
Insgesamt ist die Reha ein echter Schutzraum. Es gibt Essen, das Zimmer wird geputzt, du musst dir über deinen Tagesablauf keine Gedanken machen und du machst viele Dinge, die dir einfach guttun und dir helfen, die nächsten Schritte Richtung Heilung zu gehen. Und das ist wirklich schön und öffnet einen Raum, um zu heilen.
Die Herausforderung beginnt, wenn die Reha vorbei ist (auch wenn es natürlich davor und auch während der Reha schon genug Herausforderungen gab – aber trotzdem). Der Alltag wartet nicht auf dich, er drängt sich zurück in dein Leben – mit all seinen Erwartungen und Verpflichtungen. Nix mehr mit Schutzraum.
Doch diesmal ist es anders. Du hast Werkzeuge an die Hand bekommen, um z. B. mit dem Stress umzugehen, und du bist nicht mehr allein. Die psychosomatische Reha hat dir vielleicht gezeigt, dass es okay ist, Pausen zu machen und auf sich selbst zu hören. Und sie hat dir Strategien und Tools an die Hand gegeben, die du jetzt umsetzen darfst/sollst/musst.
Für mich war die Reha der Wendepunkt auf meiner Reise aus dem Burn-out. Sie hat mir geholfen zu verstehen, dass Selbstfürsorge kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit ist. Und ich habe dort Einblick in meine tiefer liegenden Gefühle, Ängste, Antreiber etc. nehmen können, die mich bisher gehindert haben, wirklich für mich selbst da zu sein. Und auch wenn der Weg danach nicht leicht ist, habe ich gelernt, meinem Körper und mir die Zeit zu geben, die er braucht, habe viele Ansatzpunkte für weitere Therapie etc. bekommen und die Motivation dranzubleiben und das Kümmern um mich selbst nicht (wieder) schleifen zu lassen.
Warum eine psychosomatische Reha der Schlüssel sein kann
Eine psychosomatische Reha ist keine schnelle Lösung, sondern eine Einladung, tiefer zu gehen, sich selbst besser zu verstehen und gesunde Gewohnheiten zu entwickeln. Sie bietet einen geschützten Raum, um zu heilen, sowohl körperlich als auch seelisch.
Für mich war sie eine der besten Entscheidungen, die ich auf meiner Burn-out-Reise treffen konnte – eine Reise, die mich nicht nur zurück zu mir selbst, sondern auch zu einem erfüllteren und bewussteren Leben geführt hat.
Wenn du dich also gerade an einem Punkt in deinem Leben befindest, an dem dir alles zu viel wird und dein Körper mit Erschöpfung, Schmerzen oder anderen Symptomen reagiert, könnte eine psychosomatische Reha genau das Richtige für dich sein. Es ist der Moment, in dem du sagst: „Stopp, ich brauche Hilfe.“ Und das ist völlig in Ordnung.
Wie beantrage ich eine psychosomatische Reha?
Der Weg zu einer psychosomatischen Reha beginnt oft mit dem Eingeständnis: „Ich schaffe es allein nicht mehr.“ Dieser Moment ist keine Schwäche, sondern ein Zeichen von Stärke. Doch was kommt dann? Wie beantragt man überhaupt eine psychosomatische Reha?
Der erste Schritt: Ärztliches Gespräch
Zuerst solltest du mit deiner/m Hausärzt:in oder einer/m Fachärzt:in, wie beispielsweise einem Psychiater oder Psychotherapeuten, sprechen. Sie kennen deine gesundheitliche Vorgeschichte und können einschätzen, ob eine psychosomatische Reha notwendig ist. Bei meinem Antrag war es meine Hausärztin, die die Bedeutung einer Reha früh erkannt und mich auf den richtigen Weg gebracht hat.
Den Antrag stellen
Gemeinsam mit deiner/m Ärzt:in wird ein Reha-Antrag gestellt. Dieser wird in der Regel bei deiner Krankenkasse oder der Deutschen Rentenversicherung eingereicht, je nachdem, wer für die Kostenübernahme zuständig ist. Dein:e Ärzt:in verfasst dazu einen sogenannten Befundbericht, in dem er deine Beschwerden und die Notwendigkeit der Reha detailliert beschreibt. Dieser Schritt mag bürokratisch erscheinen, aber es ist wichtig, dass du hier genau und ehrlich deine Symptome und Belastungen schilderst.
Genehmigung und eventuelle Ablehnung
Die Krankenkasse oder Rentenversicherung prüft deinen Antrag. Bei mir war es anfangs eine Geduldsprobe. Manchmal wird der Antrag im ersten Anlauf abgelehnt – was aber nicht das Ende bedeutet! In vielen Fällen lohnt es sich, Widerspruch einzulegen, da rund 50 % der Widersprüche im Nachgang erfolgreich sind. Du bist also nicht allein in diesem Prozess, und falls du Unterstützung brauchst, gibt es Beratungsstellen, die dir beim Widerspruch helfen können.
Warten auf einen Platz
Sobald der Antrag genehmigt ist, bekommst du eine Zuweisung für eine Reha-Klinik. Hier kannst du unter Umständen auch Mitspracherecht haben und eine Klinik wählen, die auf deine speziellen Bedürfnisse spezialisiert ist. Die Wartezeit kann von wenigen Wochen bis zu mehreren Monaten reichen. Aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Diese Geduld lohnt sich.
Und dann? Packen und los
Sobald der Reha-Platz feststeht, bekommst du alle nötigen Informationen zugeschickt: Was du mitbringen musst, wann du anreist, und wie lange die Reha dauert. Du musst dir keine Sorgen machen, falls du unsicher bist – die Kliniken sind darauf eingestellt, und es wird dafür gesorgt, dass du gut ankommst und dich schnell einlebst.
Den Weg zu einer psychosomatischen Reha zu gehen, mag vielleicht zunächst kompliziert wirken, aber es ist der erste Schritt zu einem neuen Kapitel deines Lebens. Zögere nicht, dir diese Unterstützung zu holen – du hast sie verdient!
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Bilder: Dall-E, Canva.
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Hallo Heike,
mein Mann hatte letztes Jahr das Glück, einen Platz in für eine Reha zu bekommen. aber es war ein langer und sehr steiniger Weg! Widerspruch bei der Krankenkasse und nach der dann irgendwann erfolgten Zusage ca. ein dreiviertel Jahr Wartezeit auf einen Therapie-Platz. Aber es hat sich gelohnt!
Hey Kerstin,
das freut mich sehr, dass es für deinen Mann eine gute und hilfreiche Erfahrung war!
Ihm und euch weiter einen guten Weg.
Gott befohlen!
Heiko