Können Kinder, Teens und Jugendliche im Rahmen von Ganztagsschule überhaupt noch an Gemeindeprogrammen teilnehmen, noch Beziehungen außerhalb der Schule pflegen? Müssen sich Gemeinde- und Jugendarbeitsformen wegen der Ausbreitung von Ganztagsangeboten an Schule ändern? Kann Gemeindejugendarbeit nur überleben, wenn sie in die Schulen geht oder bietet der Lebensraum Gemeinde etwas komplett anderes für Schüler, das erhalten werden muss – außerhalb vom Lebensraum Schule? Fragen über Fragen …
Ganztagsschule – ein Begriff, der aus der aktuellen Diskussion um Bildung, Pisa usw. nicht mehr wegzudenken ist. Dabei hat der Begriff oft Schlagwortstatus – aber was ist damit eigentlich gemeint? Die Antwort fällt gar nicht so leicht, weil die einzelnen Bundesländer ja jeweils eine eigene Schul- und Bildungspolitik haben und es „die Ganztagesschule“ so eigentlich gar nicht gibt.
Ganz grob gesehen erleben wir rund um dieses Stichwort ein immer weiter gefasstes Verständnis von Schule, als die reine Vermittlung von Wissen am Vormittag. Vielmehr soll Schule immer mehr ganzheitlich bildend, wertevermittelnd, praxisbildend, teilweise Elternaufgaben übernehmend – sprich erziehend – werden und sein. Und das nicht nur am Vormittag, sondern eben am Ganztag.
D. h. Schule bekommt zeitlich eine größere Ausdehnung und bildend eine größere Bedeutung – und könnte damit Familie, Vereine und auch Gemeinden abhängen.
Das kann man jetzt finden, wie man will – und darüber wird ja auch trefflich gestritten. Wir müssen diese Situation wahrnehmen und damit umgehen – und das zum Wohl der Kids und Jugendlichen.
Damit stellt sich auch schon die Frage nach der richtigen Frage: Ist es überhaupt zulässig, die Debatte um Ganztagsschule und Gemeinde darauf zuzuspitzen, ob unsere Jugendarbeit so noch bestehen bleiben kann? Kann es darum vor allem gehen, eine Jugendarbeit am Überleben zu halten? Muss sich unsere Form nicht vielmehr den Gegebenheiten anpassen, weil es eben nicht um Programme, sondern um die Menschen geht? Weil wir Jugendarbeit nicht betreiben, weil genau diese Art von Teenkreis die einzig seligmachende ist, sondern es uns darum geht, die Gute Nachricht so mit Menschen zu teilen, dass sie Leben verändert?
Was ist also die Frage, angesichts einer Ganztagsschule? Vielleicht:
Sind wir etwa selbst schuld?
M. E. ist die Frage, die sich Jugendarbeit zu stellen hat und an der sie zu messen ist, immer wieder dieselbe: Wie kann Gottes Gute Nachricht für das Leben von Menschen um uns herum bestimmend werden? Das ist die Frage – egal welche Herausforderung sich gerade stellt.
Ich wage hier einfach mal eine These. Die politische Forderung nach einer Ganztagsschule wird auch daher kommen, dass Gemeinden es in den letzten Jahrzehnten aufs Ganze gesehen nicht in hohem Maße verstanden haben, Gottes Gute Nachricht lebensverändernd in das Leben von z. B. Teenagern zu tragen. Und so auch wertevermittelnd, persönlichkeitsbildend etc. die Gesellschaft zu prägen Natürlich spielen die zunehmende Überforderung von Eltern, grundsätzlicher gesellschaftlicher Wandel u. v. m. ebenfalls eine Rolle. Aber ganz aus der Verantwortung stehlen, können wir uns nicht, glaube ich.
Wie leben wir jetzt aber als Christen so, dass unsere Nachricht als Gute Nachricht begriffen wird? Wie lebe ich Christsein so, dass es mein Umfeld verändert?
Eine Antwort darauf ist m. E. sicher eine Ortsbestimmung: Wenn ich Christsein so leben will, dass es das Leben von Jugendlichen nachhaltig beeindruckt und verändert, dann muss ich es dort leben, wo es mit ihnen in Berührung kommt.
Dafür gibt es kaum einen besseren Ort, als die Schule. Je mehr Ganztagsschule eine Schule wird, desto dringender ist diese Ortsbestimmung. Deswegen bin ich überzeugt davon, dass Jugendarbeit sich mindestens mit Schule, den dortigen Themen, Problemen und Chancen beschäftigen und diese in Programm, Gesprächen, Strukturen etc. aufgreifen muss. Eine Jugendarbeit, die sich mit einem der Lebensschwerpunkte ihrer Zielgruppe nicht beschäftigt und nicht darauf eingeht, ist definitionsgemäß gar keine wirkliche Jugendarbeit.
Jugendarbeit und Schule Hand in Hand?!
Dazu kann es gehören,
- dass ich Schülerbibelkreise unterstütze,
- dass schulische Themen mein Programm bestimmen,
- dass biblische Inhalte auf schulische Lebenssituationen der Teens gedeutet werden und so Lebenshilfe bieten,
- dass ich mein Programm samt Struktur und Zeiten an schulische Anforderungen von Teilnehmern und Mitarbeitern anpasse,
- dass für Schüler und Schulen gebetet wird
- und auch, dass Angebote an und mit der Schule stattfinden.
Gerade für letzteres gibt es an vielen Schulen besonders durch die Ganztagsschule auch viele Chancen und Möglichkeiten – schließlich hat christliche Jugendarbeit Kompetenzen anzubieten, die an Schulen nicht unbedingt vorhanden sind und die zum neuen ganzheitlichen Auftrag der Schule gut passen.
Weltverändernd Christsein – über die Schule hinaus
Gemeinde – verstanden, als Gemeinschaft von denen, die mit Jesus unterwegs sind und ihr Christsein umfeldverändernd leben wollen, – kann aber auch nicht nur an z. B. der Schule stattfinden, sondern braucht die „Sammlung dieser Glaubenden“. Christen brauchen Christen:
- zum Austausch,
- voneinander Lernen,
- miteinander Beten,
- gemeinsamen Gottloben,
- gegenseitigen Vergewisserung
- und „Ausrüstung“ dafür, als Christ da zu leben, wo eben nicht alle Christen sind, aber Gottes Gute Nachricht gesehen, erlebt und gehört werden soll.
Welche Form wir dafür finden, die auch mit Ganztagsschule und anderen Herausforderungen vereinbar ist – das ist sicher eine spannende Frage, die sich immer wieder neu stellen wird und deren Antwort an verschiedenen Orten auch ganz unterschiedlich ausfallen wird. Aber es gibt sie, diese Antworten. Ganz sicher.
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen will, soll und darf ein Kraftzentrum für Kinder, Teens und Jugendliche in ihrem Alltag sein. Und in ihrem Auftrag, Botschafter der Guten Nachricht – z. B. an der Schule zu sein. Um diesem doppelten Auftrag gerecht zu werden, dürfen sich Formen immer wieder ändern.
- Was wird sich bei euch ändern, damit die Gute Nachricht sichtbar, erlebbar und hörbar wird, da wo der Alltag von Kindern, Teens und Jugendliche stattfindet?
- Was wird sich bei euch ändern, damit eure Jugendarbeit zum Kraftzentrum wird, damit das erste geschehen kann?
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Bilder: privat, Dall-E, Canva.
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Hallo Heiko,
ein spannendes Thema, wie ich finde. Und nicht so leicht zu beantworten. Die Wahrheit liegt vermutlich dazwischen: mit Schulen koooerationswege suchen, aber unbedingt auch außerschulische Jugendarbeit in den Gemeinden fortführen, als freier Gegenpol. Kirche und Gemeinde öffnen für jugendkompatible Formate (Unternehmungen auch außerhalb der Gemeinde, Fahrten etc., die Gemeinschaft fördern), Konfis nach dem Jahr enger binden und motivieren … Da ist eine Menge zu tun und du hast das alles sicher schon in Deinem Buch festgehalten … Ich lese gespannt bei dir weiter. 👍
Hey Nicole,
ja, da hast du definitiv recht. Das ist komplex und nicht einfach mal eben so zu beantworten.
Deswegen werden definitiv auch noch Blogartikel zum Thema folgen. Wie schön, wenn du dran bleibst, mitliest und -denkst!
Gruß, Heiko