Man sagt, Düfte seien die heimlichen Zauberer unseres Alltags. Sie wirken unsichtbar, still und leise, und doch sind sie mächtiger, als wir oft ahnen. Ein Hauch von Lavendel kann uns in einen Sommergarten versetzen, selbst wenn draußen der Herbstwind um die Häuser pfeift. Ein Hauch von frisch gebackenem Brot entführt uns zurück in die warme Küche unserer Kindheit, wo die Mutter summend am Herd stand und die Welt noch in Ordnung schien.
Düfte haben die wunderbare Fähigkeit, uns in die Vergangenheit zu entführen, Erinnerungen wachzurufen, die längst verblasst schienen, und uns in ein wohliges Gefühl von Geborgenheit zu hüllen. Es ist fast, als hätten sie eine direkte Leitung zu unserer Seele. Kein Wunder also, dass ein Duft uns in Sekundenschnelle wieder in das kleine Kinderzimmer bringen kann, in dem wir einst unsere Träume gesponnen haben.
Ja, die Magie der Düfte ist eine der geheimen Mächte des Lebens, die oft übersehen wird. Sie ist leise, aber unaufhaltsam. So wie eine vergessene Melodie, die uns plötzlich ins Ohr weht, kann ein Duft uns ganz unerwartet ergreifen und für einen Augenblick die Zeit stillstehen lassen. Und in diesem Augenblick ist alles möglich: Wir sind wieder das Kind, das mit staunenden Augen in die Welt schaut, voller Neugier und Abenteuerlust.
Es ist diese Magie, die uns daran erinnert, dass wir die Kunst der kleinen Freuden nicht verlernen dürfen. Die Kunst, im Augenblick zu verweilen, einen tiefen Atemzug zu nehmen und die Welt um uns herum in all ihren Farben und Düften wahrzunehmen. Denn vielleicht sind es gerade diese kleinen, unscheinbaren Momente, die unser Leben reich und wertvoll machen.
Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade „Duftreise in die Vergangenheit, welchen Duft verbindest du mit deiner Kindheit?“ von Andrea Beerbaum.
Kann etwas besser duften als Schokopudding?
Als Kind hatte ich eine besondere Vorliebe: Pudding. Nicht irgendein Pudding, sondern dieser cremige, süße Schokoladentraum, der mir schon beim Gedanken daran das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Zu Hause allerdings, im hektischen Alltag meiner Eltern, gab es meistens nur die schnelle Variante – kalter Anrührpudding aus der Tüte. Versteht mich nicht falsch, der war schon in Ordnung, irgendwie sogar ein bisschen spaßig, aber wirklich lecker? Naja, maximal halblecker.
Bei meiner Oma, die wohnte weit weg, tief in Franken, war alles anders als zu Hause. Ihre Wohnung war eine eigene kleine Welt, angefüllt mit den Erinnerungen an vergangene Zeiten und Reisen, dekoriert mit Fotos und seltsamen Kleinigkeiten aus den USA, da sie jahrelang auf einer amerikanischen Kaserne gearbeitet hatte. Schon beim Betreten der Wohnung fiel mir immer dieser andere Geruch auf – eine Mischung aus alten Büchern, Holzpolitur und etwas Süßem, was ich damals noch nicht genau benennen konnte.
Eines Tages, bei einem unserer Wochenendebesuche, wusste meine Oma genau, wie sie mein Herz höher schlagen lassen konnte. Sie kannte meine Liebe zu Pudding nur zu gut und hatte sich für mich etwas Besonderes überlegt. Kein Anrührpudding diesmal, nein. Als wir die Wohnung betraten, erfüllte ein süßer, verheißungsvoller Duft die Luft. Der Duft von Schokolade, so reich und voll, dass er fast greifbar war.
Oma hatte Schokoladenpudding gekocht. Richtig selbstgemacht, mit Ei und Stärke, in einem großen Topf auf dem Herd gerührt, bis er langsam dick wurde. Er stand schon zum Abkühlen auf der Anrichte, als wir ankamen. Dieser Moment, als der warme Duft in meine Nase stieg und Oma lächelnd sagte: „Der ist nur für dich“, war für mich als Kind das Schönste, was ich mir vorstellen konnte.
Es war nicht nur der Pudding selbst, so köstlich und cremig, wie ich es mir in meinen wildesten Träumen nicht hätte ausmalen können. Es war auch das Gefühl, dass dieser Pudding mit all seiner Sorgfalt und Liebe nur für mich gemacht worden war. Ein Gefühl, das mich bis heute begleitet, wenn ich an meine Oma und ihre fränkische Küche denke. In diesem Augenblick, umgeben von fremden Düften und vertrauter Zuneigung, fühlte ich mich unendlich glücklich und geborgen. Und der Duft von frisch gekochtem Schokoladenpudding wird für mich immer mit dieser besonderen Erinnerung verbunden bleiben.
Was alles in einem Duft stecken kann
Es gibt Düfte, die uns ein Leben lang begleiten, so still und unscheinbar wie ein treuer Freund. Für mich war das der Duft von Schokoladenpudding. Nicht irgendein Schokoladenpudding, sondern der, den meine Oma für mich gekocht hat – seit diesem ersten Majedes Mal, wenn wir sie besuchten, und das waren zum Glück viele Male. Es wurde zu unserer kleinen Tradition, dass es mindestens einmal, manchmal auch mehrmals pro Besuch, diesen Pudding gab.
Dieser Pudding war keine schnelle Angelegenheit, kein fertiges Pulver, das man mit kalter Milch anrührt. Nein, Oma machte ihn richtig, mit Liebe und Geduld, aus Milch, Zucker, Schokolade, Ei und Stärke. Und sie machte ihn wirklich nur für mich. Sie wusste, dass ich der Einzige in der Familie war, der die Puddinghaut mochte – diese leicht zähe Schicht, die sich bildet, wenn der Pudding ohne Rühren abkühlt. Also ließ sie den Pudding bewusst stehen, ohne auch nur einmal umzurühren, damit ich diese Haut genießen konnte. Eine kleine Geste, die für mich jedoch eine große Bedeutung hatte.
Mit der Zeit begann ich, diesen Duft untrennbar mit meiner Oma zu verbinden. Wenn ich heute an sie denke, rieche ich förmlich den süßen, warmen Duft des Schokoladenpuddings, der ihre Wohnung durchzog, sobald wir ankamen. Für mich riecht Oma nach Schokoladenpudding. Und damit riecht sie nach all den Dingen, die sie für mich verkörpert: nach Wärme, nach Kümmern, nach Liebe und Geborgenheit.
Es war nicht nur der Pudding, der diese Gefühle in mir hervorrief, aber er wurde zum Symbol dafür. Oma war für mich die Person, die immer Zeit hatte, die mir zuhörte, sich um mich kümmerte, und die mir das Gefühl gab, etwas ganz Besonderes zu sein. Und der Schokoladenpudding war der Duft, der all das in sich trug.
In diesem Duft vereinen sich all die kleinen, unscheinbaren Momente, die zusammen ein Bild von Geborgenheit malen – eine warme Küche, Omas freundliches Lächeln, und der Geschmack von süßem Schokoladenpudding, der jedes Mal ein kleines Stück Kindheit zurückbrachte. So wurde der Duft von Schokoladenpudding für mich zu einem Synonym für all das, was Oma für mich bedeutete. Und auch heute noch, wenn ich irgendwo diesen Duft wahrnehme, ist es, als würde sie bei mir sein, mich anlächeln und mir sagen: „Der ist nur für dich.“
Schokopudding: bis heute wie eine Umarmung von Oma
So ist dieser Duft nie ganz aus meinem Leben verschwunden, selbst wenn der Mensch, den er verkörpert, längst nicht mehr bei uns ist. Meine Oma ist schon seit einigen Jahren tot, aber der Duft von Schokoladenpudding – ihrem Schokoladenpudding – bleibt. Er ist geblieben, nicht nur in meiner Nase, sondern auch tief in meinem Herzen.
In den letzten Jahren ihres Lebens hat Oma bei meiner Frau und mir gewohnt. Erst in unserer Wohnung, später, als es nicht mehr anders ging, in einem Pflegeheim. Und auch wenn sie nicht mehr die Kraft hatte, selbst zu kochen, haben wir dennoch das ein oder andere Mal gemeinsam einen Schokoladenpudding genossen. Je länger, je mehr habe ich das Kochen des Puddings übernommen. Es war, als würde ich ein Ritual weiterführen, das uns beiden so viel bedeutete. Ein Stück Normalität in einer Zeit, in der vieles nicht mehr so war, wie es einmal war.
Bis heute verbinde ich Schokoladenpudding mit der Erinnerung an meine Oma. Aber es ist mehr als nur das. Dieser Duft, dieser Geschmack – sie stehen für ein Gefühl von Geborgenheit, Sicherheit, Liebe und Trost. All das, was meine Oma für mich immer verkörpert hat. Deswegen habe ich auch oft genau dann Verlangen nach Schokoladenpudding, wenn der Tag besonders hart war, wenn das Leben mir einen Schlag versetzt hat oder wenn ich mich einfach nur traurig und verloren fühle. In diesen Momenten, und nur dann, koche ich mir einen Schokoladenpudding. Aber natürlich keinen aus der Tüte. Es muss der gute, selbstgemachte, handgemachte sein, mit der ganz dicken Haut obendrauf, so wie ich es immer mochte.
Und dann, wenn der Pudding fertig ist und der vertraute Duft die Küche erfüllt, tut er seinen Dienst. Er ist wie ein kleines Stück Oma, das für einen Moment zurückkommt. Oma, die mich angrinst, mir die Hand auf die Schulter legt und mir das Gefühl gibt, dass irgendwie alles gut wird. In diesen wenigen Löffeln Pudding steckt all die Wärme und Geborgenheit, die sie mir mein Leben lang gegeben hat. Es ist, als würde ich für einen kurzen Augenblick wieder bei ihr sein, in ihrer kleinen Wohnung in Franken, umhüllt vom Duft von Schokolade und der Liebe, die sie mir immer schenkte.
So ist der Duft in meinem Leben geblieben. Ein Duft, der nicht nur Erinnerungen weckt, sondern auch Trost spendet, wenn die Welt sich zu schnell dreht. Ein Duft, der mich daran erinnert, dass es Menschen gibt, die uns auch über ihren Tod hinaus begleiten – in unseren Gedanken, in unseren Herzen und manchmal, ganz unscheinbar, in einem einfachen Schokoladenpudding.
Die Macht der Dufterinnerung
Erinnerungen sind wie kleine Schatzkisten, die wir in unserem Inneren tragen. Manchmal sind sie gut verschlossen, kaum beachtet im hektischen Alltag, und doch reichen oft ein Duft, ein Klang oder ein Geschmack, um den Deckel dieser Kisten zu heben und uns in eine andere Zeit zu entführen. Die Macht der Erinnerung ist nicht zu unterschätzen. Sie kann trösten, kann uns lächeln lassen, manchmal sogar Tränen in die Augen treiben – und all das in einem einzigen, unscheinbaren Moment.
Es ist erstaunlich, wie fest manche dieser Erinnerungen mit den kleinsten Dingen des Lebens verknüpft sind. Ein Stück Kuchen, das nach Zimt und Geborgenheit duftet, ein altes Lied, das uns an eine längst vergangene Sommernacht erinnert, oder – wie in meinem Fall – ein einfacher Schokoladenpudding. Es sind nicht die großen, dramatischen Ereignisse, die sich in unserem Gedächtnis festsetzen, sondern oft die kleinen, alltäglichen Gesten, die uns in schwierigen Zeiten Halt geben.
Erinnerungen, die wir mit Düften, Geschmäckern oder Klängen verbinden, sind besonders stark. Sie sind nicht nur in unserem Verstand gespeichert, sondern in unserem ganzen Wesen verankert. Sie holen uns ab, wenn wir uns verloren fühlen, geben uns ein Stück Heimat zurück, wenn wir sie am dringendsten brauchen.
Und vielleicht ist das die größte Macht der Erinnerung: Sie zeigt uns, dass wir trotz aller Veränderungen, trotz aller Stürme, die das Leben mit sich bringt, immer einen Anker haben. Etwas, das uns zurückführt zu den Menschen, die uns geprägt haben, zu den Orten, die uns lieb und teuer sind, und zu den Gefühlen, die uns stark machen.
Es ist ein großes Geschenk, diese Erinnerungen in uns zu tragen. Sie machen uns zu dem, was wir sind, und geben uns die Kraft, weiterzugehen, egal was kommt. Denn solange wir uns erinnern können, sind wir nie wirklich allein. Und das ist vielleicht die schönste Botschaft, die uns unsere Erinnerungen mit auf den Weg geben können.
Was ist dein Kindheits-Erinnerungs-Duft?
Was verbindest du damit?
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Bilder: Dall-E, Canva.
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Lieber Heiko,
ich freue mich ganz besonders über deinen „Die Macht der Düfte“ Beitrag zu meiner Blogparade, denn genau DAS haben sie, die wunderbaren Essenzen der Pflanzen. Und alle Omas sind nun unweigerlich mit Schokoladenpudding verknüpft, herrlich!
Alles Liebe,
Andrea
Gerne, liebe Andrea.
Hat mir Spaß gemacht, dabei zu sein. Und über meine Oma zu schreiben, ist immer gut. Die war toll 😉
Gruß
Heiko
Jetzt habe ich gleich einen riesigen Pudding-Appetit – und etwas Sehnsucht nach meiner Oma. So ähnlich war es auch bei uns, nur dass ich sie schon als Jugendliche an den Himmel abgeben musste. Danke für Deinen „duften“ Blogbeitrag. Viele liebe Grüße! Eva
Hey Eva,
dann wünsche ich guten Appetit und ganz wunderbare Oma-Erinnerungen!
Gruß
Heiko